244
Z 88. Fortgang der Reformation.
Gegnern, der allenthalben die lebhafteste Theilnahme erregte.
Um die Sache zu unterdrücken, ließ der Papst Luthern zuerst
durch den Legaten Ca je tan, dann durch den Gesandten
v. Miltiz zum Widerruf auffordern. Luther, unter dem
Schutze seines Landesherrn, verweigerte ihn, versprach aber
zu schweigen, wenn auch seinen Gegnern Schweigen auferlegt
würde. Aber sein Hauptgegner, der Professor der Theologie
zu Ingolstadt, 0. Eck, schwieg nicht, sondern forderte
Luthern zu einer Disputation in Leipzig heraus, in
welcher Luther Äußerungen that, durch die er sich nicht bloß
dem Papste, sondern der römischen Kirche selbst entgegensetzte.
Während Eck nun nach Rom gieng, um dem Papste die
Gefahr der Kirche vorzustellen, mehrte sich Luther's Anhang
außerordentlich, indem der Bürg erstand in den meisten
Städten, ein großer Theil des niedern Adels und die Mehr-
zahl der H u m a n i st e n d. i. derjenigen Gelehrten, die das
Studium der alten Sprachen betrieben, auf seiner Seite war.
Dadurch ermuthigt, schrieb Luther zwei neue Schriften, worin
er die römische Kirche in ihrem tiefsten Innern angriff, und
womit er in noch weiteren Kreisen Zuneigung und Zustim-
mung erlangte.
Freilich kam jener Beifall nicht bei Alten einzig aus der
Quelle des Glaubens; insbesondere suchten Franz von
Sickingen, Ulrich von Hutten und deren Freunde die
Reformation zugleich zur Erreichung politischer Zwecke zu
benützen, die dahin giengen, dem Adel seine, durch den Land-
frieden gehemmte Ungebundenheit und durch die Fürstenmacht
geminderte Bedeutung wieder zu gewinnen. Luther selbst
aber entzog sich ihren Anerbietungen, dem Evangelium ihre
weltlichen Waffen zu leihen, durch die Mißbilligung jeder
Gewalt in Sachen des Wortes Gottes.
Jetzt aber, nachdem Luther die Fundamente des Papst-
thums und der römischen Kirche also angegriffen, sprach der
Papst den Bann über Luther's Lehren aus und verurtheilte
seine Schriften zum Feuer. Da berief sich Luther auf ein
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Extrahierte Personennamen: Franz_von
Sickingen Franz Ulrich_von_Hutten
Extrahierte Ortsnamen: Legaten_Ca Ingolstadt Leipzig Rom Bürg Gottes
24(5
§. 89. Fortgang der Reformation.
zu verantworten. Vor dem Kaiser in der Versammlung der
Neichsfürsten und Reichsprälaten vom'päpstlichen Legaten
zum Widerruf aufgefordert, erklärte er, daß er nicht wider-
rufen könne, es sey denn, daß man ihn aus der heil. Schrift
widerlege, worauf er seine glaubensmuthige Rede mit den
Worten schloß: „Hier stehe ich; ich kann nicht anders, Gott
helfe mir! Amen."
Hierauf erklärte der Kaiser den bereits mit dem Banne
belegten Luther auch in die Reichs acht, und befahl, daß
nach Ablauf des Geleites gegen ihn als Ketzer verfahren
werden solle. Daher ließ Kurfürst Friedrich Luthern, um ihn
gegen seine Feinde zu schützen, heimlich auf die Wartburg
bringen, wo er ein Jahr lang in der Verborgenheit lebte,
und einen Theil des neuen Testaments übersetzte. Als aber
der fanatische Eifer des l). B o d e n st e i n (aus Carlstadt)
eine B ild erstürm er ei in den Kirchen Wittenberges ver-
anlaßte, verließ Luther, ohne sich an Bann und Acht zu
kehren, die Wartburg, stellte in Wittenberg durch Predigt
und Schrift die Ruhe wieder her und setzte mit seinem ge-
lehrteren Freunde, dem milden, besonnenen Philipp Me-
lanchthon, Professor der griechischen Sprache, auf das
thätigste das Werk der Reformation fort.
Auch von dem Landvolke wurden Luther's Schriften,
besonders wegen ihrer derben Sprache, begierig ausgenom-
men ; aber im südlichen Deutschland und am Rhein, wo die
Bauern von der Zeit der Städtekriege her schon früherhin
oft Aufstände gemacht und allemal die Religion mit
ein ge mischt hatten, wurde die Lehre von der „evan-
gelischen Freiheit" mißverstanden: sie verlangten von ihren
Gutsherren Freiheit von Abgaben und anderen Lasten, und
da ihnen ihre Forderungen verweigert wurden, erhoben sie
sich im Aufruhr, und so entstand
1324—23 der schreckliche Bauernkrieg in Schwaben und
am Rhein, und in Folge davon der durch den wiedertäu-
ferischen Schwärmer Thomas Münzer erregte Bauern-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Luthern Friedrich Philipp_Me- Philipp Thomas_Münzer
Extrahierte Ortsnamen: Wartburg Wartburg Wittenberg Deutschland Rhein Schwaben Rhein
248 r §. 89. Fortgang der Reformation.
Luther den großen und kleinen Katechismus ausarbeitete, mit
allem Ernst und Fleiß betrieben.
Da sich, hiedurch erschreckt, die katholisch gebliebenen
Fürsten über strenge Gegenwirkungen beriechen, schloßen die
evangelischen Fürsten zur Sicherung des Errungenen
1326 das Torgauer Bündniß. Dagegen brachten die katho-
lischen Stände, die sich unterdessen (bei Gelegenheit der Krö-
nung Ferdinands zum Könige von Böhmen) näher verständiget
hatten, cs dahin, daß
1329 der Reichstag zu Speyer, (den zunächst das Vordrin-
gen der Türken veranlaßte) das bisher nicht befolgte Wormser
Achtsedict gegen Luther erneuerte und jede weitere Verbreitung
seiner Lehre verbot, wogegen aber die evangelischen Stände
feierlich protestirten und daher den Namen Protestanten
erhielten.
Nun brachten.einige lutherische Stände (namentlich Hessen
und Sachsen) ein Bündniß mit den Zwinglischgesinnten in
Vorschlag, aber Luther, der in verschiedenen Ansichten Zwing-
li's offenbare Abweichungen vom wahren Glaubensgrunde
sah, rieth davon ab. Um daher eher zum Zwecke zu kommen,
suchte der Landgraf von Hessen, welcher Luthers Lehre inner-
lich weniger erfaßt hatte, zunächst die streitenden. Theologen
zu vereinigen, und lud sie daher noch in demselben Jahre zu
einem Religionsgespräch nach Marburg. Allein
Luther und Zwingli konnten sich dabei über die Lehre
vom heiligen Abendmahl nicht vereinigen, und obwohl sie
persönlich in Liebe schieden, so blieb doch die längst eingetre-
tene verderbliche Trennung der Protestanten in Luthera-
ner und Reformirte fortbestehen; ja sie schärfte sich
in der Folge nur noch mehr. (s. §. 91 a. E.)
Da man den Kaiser, der die Protestation nicht ange-
nommen hatte, immer strenger auftreten sah, so entstund
unter den lutherischen Ständen die Frage über das Recht
des Widerstandes gegen das Reichsoberhaupt. Obgleich
die sächsischen Juristen dieses Recht behaupteten, so erklärte
«doch Luther, daß dasselbe nicht in der heiligen Schrift ge-
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Extrahierte Personennamen: Ernst Ferdinands Luthers Luther
§. 93. Die Reformation in England. 267
Grunde, dem Hause Österreich die kaiserliche Gewalt zu ent-
reißen und Deutschland umzugestalten!
5. Die Reformation tu England.
§. 93. Auch in England hatte die Reformation bald Ein-
gang gefunden; aber die Trennung von der römischen Kirche
geschah dort zunächst aus sehr weltlichem Grunde.
Die unumschränkte königliche Gewalt, welche Heinrich Vh
(§. 79) hinterlassen hatte, wurde in den Händen seines
Sohnes, des leidenschaftlichen und störrisch - willkührlichen
Heinrich s Vhf, zur völligen Despotie mißbraucht, in die
sich das Parlament mit der niedrigsten Feigheit fügte. Ob-
gleich dieser König selbst eine Schrift gegen Luther zur
Vertheidigung der sieben Sacramente geschrieben und deß-
halb vom Papste den Titel „Glaubensbeschützer" erhalten
hatte, so sagte er sich doch vom Papste los, weil dieser die
eigenmächtige Scheidung von seiner ersten Gemahlin und
seine Verbindung mit Anna Boleyn als ungültig ver-
warf.
Er erklärte sich nun 1535 zum Oberhaupt der eng-
lischen Kirche, zog alles Klostergut mit unglaublicher
Rohheit ein und verschwendete es so sinnlos, daß nach einigen
Jahren wenig mehr von dem also Gewonnenen vorhanden
war; auch ließ er jeden, der die von ihm aufgestellte katho-
lische Kirchenverfassung nicht beschwören wollte, hinrichten,
und selbst des edlen Kanzlers Thomas Moore's (Mo-
rus) Haupt mußte aus diesem Grunde unter dem Beile
fallen.' Bald schickte der argwöhnische Tyrann auch Anna
Boleyn auf's Schaffet, und dieses Schicksal traf auch noch
die vorletzte der sechs Gemahlinnen, die er nach einander
gehabt hatte. — Obgleich vom Papste abgefallen, haßte er
doch Luthern und dessen Lehre bis an sein Ende: denn er
wollte selber Reformator seyn. Er starb 1547 im 56. Jahre
seines Alters.
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Boleyn
Extrahierte Ortsnamen: England Deutschland England England
202
§. 73. Die Kreuzzüge.
Den größten Vortheil zunächst zog die Hierarchie
aus den Kreuzzügen, indem der Papst es war, der diesel-
den anordnete, sie durch seine Vertreter (Legaten) leitete,
sowie auch die Streitigkeiten unter den Kreuzfahrern schlich-
tete, und überhaupt seinen Befehlen, ungeachtet öfteren Wi-
derstrebens der Könige und Fürsten, in der Regel durch die
ihm zu Gebote stehenden Mittel Gehorsam zu verschaffen
wußte, und so das Ansehen eines richterlichen Oberherrn der
ganzen abendländischen Christenheit bekam, während der Kle-
rus durch Kauf, Geschenke und Vermächtniffe überreich an
Gütern und Vorrechten wurde.
Sittlichkeit und Religion aber erlitt aus dieser Berüh-
rung mit dem Morgenlande durch die Vervielfältigung aber-
gläubischer Auswüchse und durch die höchste Steigerung der
sinnlichen Lüste und Genüsse wesentliche Nachtheile, welche
durch die getroffenen Gegenvorkehrungen (z. B. durch Kran-
kenhäuser, deren im 13. Jahrhundert an 19,000 in Europa
gezählt wurden, und durch Vermehrung der geistlichen Or-
den) nur theilweise gemindert werden konnten.
Auch im Ab end lande fanden Kreuzzüge Statt und
zwar gegen die heidnischen Slaven, insbesondere gegen die
. Wenden, welche zuletzt von Heinrich dem Löwen besiegt
wurden, und gegen die Preußen, die mit Hülfe des deut-
schen Ordens zum Christenthume - gebracht und 1283 dem
Orden unterworfen wurden. — Ebenso wurden auch Kreuz-
züge gegen Ketzer gepredigt, insbesondere gegen die
Albigenser im südlichen Frankreich (1209), bei wel-
cher Gelegenheit die Inquisition aufkam, ein geistliches
Gericht, das Jeden, der die Lehren und Einrichtungen der
Kirche nicht anerkannte, mit schweren Strafen, selbst mit
Feuer und Schwert, verfolgte (s. §. 78 u. 94).
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_dem_Löwen Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Europa Christenthume Frankreich
§. 76. Die Kirche Ln ihrer tiefsten Erniedrigung. 209
Unter der trägen und unsinnigen Negierung seines Sohnes
Wenzel (1378—1400) riß in Deutschland abermals eine
solche Unordnung ein, daß die Städte sich durch Büudnisse
gegen den sie bedrückenden Adel, so wie gegen die Fürsten zu
schützen suchten, und zuletzt ein verheerender Städtekrieg
ausbrach, in welchem die rheinisch-schwäbischen Städte gegen
die Macht des Adels und der Fürsten unterlagen.
Zuletzt wurde Wenzel abgesetzt: doch konnte auch sein
Nachfolger Nuprecht von der Pfalz (1400—1410) die
Ordnung nicht Herstellen, zumal zugleich allmählig auch in der
Kirche eine Verwirrung eingetreten war, die auf alle Verhält-
nisse des bürgerlichen Lebens die traurigste Einwirkung hatten.
2. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung.
76. Ungeachtet der so hoch gestiegenen Macht des Papstthums
und des Sieges der geistlichen Gewalt über die weltliche,
hatte sich doch in der Kirche der Keim des Verderbens bereits
mächtig entwickelt, und schon längst war über dem ungebühr-
lichen Vertrauen auf äußere Werke und über der Gleichstel-
lung menschlicher Satzungen mit den Forderungen des gött-
lichen Worts die Einfachheit des Evangeliums und der
Wandel im Geist immer mehr zurückgetreten.
Daher entzogen sich schon vom 9. Jahrhundert an einzelne
Gemeinden in den stillen Thälern Südostfrankreichs und Sa-
voyens den hierarchischen Einrichtungen, und strebten mit
Beobachtung strenger Sittenzucht auf das Urchristenthum zu-
rückzugehen. Sie breiteten sich im 12. Jahrhundert unter dem
Namen Waldenser immer weiter aus, ungeachtet sie durch
die päpstlichen Jnquisitions- oder Ketzergerichte schrecklich ver-
folgt wurden.
In der (allgemeinen) Kirche selbst war schon in der
Mitte des 11. Jahrhunderts eine große Spaltung ausge-
14
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§. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung. 211
Und so konnte denn Ruprecht's Nachfolger, Kaiser Si-
gismund, Wenzel's Bruder,
1414 das Concilium zu Constarrz zu Stande bringen, welches
die drei Päpste absetzte und den Grundsatz aufstellte, daß sich
der Papst den Beschlüssen einer allgemeinen Kirchenversamm-
lung unterwerfen müsse. Weil man aber vor der Abstellung
der übrigen Kirchengebrechen den neuen Papst wählte, der
alsdann von dem Concilium keine Verbesserungsvorschläge
annahm, so war zwar die (äußere) Einheit der Kirche, nicht
aber ihre Reinheit hergestellt.
Dazu kam, daß das Concilium selbst durch ein leiden-
schaftliches Urtheil den spätern Riß in der Kirche dadurch
vorbereitete, daß von ihm
14113 Johann Huh, der als Professor der Theologie zu Prag
gegen die Gewalt des Papstes und gegen verschiedene andere
Kirchenlehren aufgetreten war, zum Feuertode verurtheilt und
zu Constanz als Ketzer verbrannt wurde. Zunächst ent-
stand aus diesem Verfahren
14120—1436 der Hussitenkrieg, indem sich Hussen's Anhänger
in Böhmen im Aufruhr erhoben, unter ihren Anführern Ziska
und den beiden Procopius alle vom Kaiser und Reich und
Papst gegen sch aufgebotenen Heere schlugen, und einen großen
Theil Böhmens und aller umliegenden Länder auf das gräu-
lichste verwüsteten. Nur als das zu Basel wieder zusammen-
getretene Concilium den Forderungen der gemäßigten Partei
der Hussiten, der Calirtiner, nachgab, und diese dann selbst
sich gegen die fanatische Partei der Taboriten wendeten,
ward endlich die Ruhe wieder hergestellt.
Aus dem besseren Theile von ihnen entstund nachher die
böhmisch-mährische Bürgergemeinde, die unter man-
cherlei Verfolgungen ihren 'Glauben bewahrte, bis sie später-
hin zum Theil in die jetzt bestehende, vom Grafen Zinzendorf
gestiftete Brüder-Unität übergieng.
Alle Beschlüsse des Basler Conciliums aber, die auf Be-
schränkung der päpstlichen Macht gerichtet waren, verwarf
- der Papst und nahm ihnen für Deutschland durch neue Ver-
14*
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Extrahierte Personennamen: Johann_Huh Johann Hussen's_Anhänger Procopius
242
tz. 88. Anfang der Reformation.
Groß war das in der damaligen Kirche eingerissene
Sittenverderbniß, unerhört die Unwissenheit der meisten
Geistlichen, arg vernachlässigt die Kenntniß der heiligen
Schrift und die Führung des Predigt- und Seelsorgeramtes,
entsetzlich der daher rührende Aberglaube des Volkes. Die
Erfahrungen, welche die Kirche in dem Kampfe mit den
zum Theil wahren, zum Theil freilich auch irrthümlichen
Bestrebungen der Waldenser, Wpkleffiten und Hussiten ge-
macht hatte, waren von ihr nicht als Mahnungen zur eig-
nen freiwilligen Selbsterneurung benützt worden. In un-
begreiflicher Sicherheit schritten vielmehr ihre damaligen
Leiter (namentlich ein Papst Alexander Vi) auf der gefährli-
chen Bahn fort, die zuletzt nothwendig zu einer, für alle
Theile unerwarteten Entscheidung führen lüußte.
Zu dieser Entscheidung kam es unter Papst Leo X, der,
um den Prachtbau der Peterskirche in Rom fortführen und
vollenden zu können, einen Ablaß ausschrieb, von dessen
Ertrag im nördlichen Deutschland ein Theil dem Erzbischof
von Mainz zufallen sollte. Dieser stellte dann Ordensgeist-
liche an, die in den deutschen Ländern umherzogen und gegen
bestimmte Geldtaren Vergebung der Sünden verkauften.
Einer dieser Ablaßverkäufer, der Dominikaner Johann
Tetzel, welcher dieses Geschäft in Sachsen betrieb, verfuhr
dabei auf eine so unverantwortliche Art, daß der Professor
der Theologie an der Universität Wittenberg, » Martin
Luther, welcher an seinen Beichtkindern die unglücklichen
Folgen jenes Ablaßverkaufes wahrnahm, sich getrieben fühlte,
1817 am 31. October in fünf und neunzig Thesen oder theologi-
schen Streitsätzen, die er an die Schloßkirche zu Wittenberg
anschlug, diesen Mißbrauch zu rügen und zugleich die un-
beschränkte Gewalt des Papstes zu bestreiten. Dies war der
Anfang zur Reformation.
Luther, der Sohn eines Bergmanns aus Möhra in der
Grafschaft Mannsfeld, war am 10. Nov. 1483 zu Eisleben
geboren, studierte zu Erfurt anfangs die Rechtswissenschaft,
widmete sich aber nachher, erschüttert durch den plötzlichen
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Leo_X Leo Johann
Tetzel Johann Martin
Luther
Extrahierte Ortsnamen: Rom Deutschland Mainz Sachsen Wittenberg Wittenberg Möhra
§. 88 Anfang der Reformation.
243
Tod eines Freundes, dem Klosterleben, und suchte durch
ängstlich-gewissenhafte Beobachtung aller vorgeschriebenen
kirchlichen Gesetzeswerke den Frieden der Seele. Er vermochte
ihn aber auf diesem Wege nicht zu finden, und war in der
äußersten Gefahr, sich durch Selbstquälerei geistlich und leib-
lich aufzureiben. Da kam er zufällig an eine lateinische
Bibel und lernte daraus die ursprüngliche Lehre des Evan-
geliums kennen. Das ernste Forschen in der Schrift führte
ihn, nach noch vielen innern Kämpfen, auf den Weg der vor
Gott geltenden Gerechtigkeit, welche allein dem durch die
wahre Herzensbuße hindurchgegangenen Glauben an
Christi Verdienst von Gott zugerechnet wird, aus welchem
lebendigen Glauben dann die guten Werke als
eben so viele gesunde Früchte hervorgehen
m ü s s e n.
Da einige Jahre zuvor (1502) der Kurfürst Friedrich
der Weise, welcher überhaupt mit seinem durchdringen-
den Geiftd die Bedürfnisse des Reichs und der Kirche am
klarsten erkannte, die Universität Wittenberg errich-
tet hatte, so wurde Luther für dieselbe durch einen seiner Vor-
gesetzten, Staupitz, zunächst zum Lehrer der Weltweiöheit
vorgeschlagen und vom Kurfürsten 1508 angestellt. Einige
Jahre darauf (1512) wurde er zum Doctor der heili-
gen Schrift ernannt und zum Predigtamt verpflichtet. Da
er die heil. Schrift nicht, wie Andere, bloß nach den Kirchen-
vätern und Scholastikern, sondern unmittelbar aus ihr selbst
auslegte, so brachte er dadurch große Wirkung unter seinen
Zuhörern hervor. Eine Reise nach Rom in Angelegenheiten
des Augustinerordens, welchem Luther noch angehörte, machte
ihn mit dem damaligen geistlichen Leben daselbst in einer
Weise bekannt, die einen sehr ungünstigen Eindruck in seinem
Gemüthe zurückließ. Als nun Tetzel kam und mit seinem
Ablaßverkauf so gefährlich wirkte, trat Luther in der oben
angegebenen Art auf, ohne jedoch damit eine Kirchen-
trennung zu beabsichtigen.
Run erhob sich ein Schriftenstreit zwischen ihm und seinen
16*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Luther
§. 89. Fortgang der Reformation. _ 245
allgemeines Concilium, verbrannte vor dem Thore zu
Wittenberg
1320 den 10. December die päpstliche Bulle sammt dem
römischen Kirchenrechte, und sagte sich damit vom
Papstthume los.
Ein Jahr zuvor hatte auch in der Schweiz der Pfarrer
Huldrich Zwingli in Zürich, gleichfalls aus Veranlassung
des Ablaßhandels, eine Reformation begonnen, die eben so
raschen Fortgang hatte. Während der tiefsinnige Luther in
seiner durch und durch monarchischen Gesinnung vom kirchlich
Bestehenden ausgieng und durch Reinigung des Glaubens
auf Sitte und Leben zu wirken strebte, wollte Zwingli als
geborner Republikaner in seiner, mehr den Bedürfnissen des
gemeinen Lebens zugewandten Gesinnung zunächst Sitte und
Leben bessern und als moralisch-politischer Reformator die
Eidgenossenschaft zu ihren ursprünglichen Grundsätzen zurück-
führen. In diesem Gegensätze lag der verschiedenartige Fort-
gang der deutschen und der helvetischen Reformation, so wie
das verschiedenartige Schicksal der beiden Reformatoren.
2. Fortgang der Reformation.
§. 89. ^Unterdessen hatten nach Kaiser Marimilian's I Tode die
Kurfürsten auf den Rath des bisherigen Reichsverwesers,
Friedrich's des Weisen von Sachsen, der die ihm angetragene
Krone ausschlug, den König Karl I von Spanien, Enkel
Marimilian's und Ferdinands des Katholischen, zum Kaiser
gewählt und ihn den 22. Oktober 1520 als Karl V gekrönt.
Da sich auch bereits bedeutende Reichsfürsten, wie der
Kurfürst Friedrich von Sachsen, der Landgraf Phi-
lipp von Hessen, der Markgraf Albrecht von
Brandenburg, auf Luther's Seite neigten, und die Be-
wegung gegen die Kirche allgemein zu werden drohte, wurde
Luther vom Kaiser gegen sicheres Geleite
1321 auf dem Reichstag zu Worms vorgefordert, um sich
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Extrahierte Personennamen: Huldrich_Zwingli Zwingli Karl_I_von_Spanien Karl Enkel
Marimilian's Ferdinands Karl_V Karl Friedrich_von_Sachsen Friedrich Albrecht_von
Brandenburg Albrecht